Der Unfall
Am 15. November 2021 hatte ich einen Unfall beim Radfahren. Ich bin auf der Hauptstraße durchs Würmtal gefahren. Von links kam ein Auto und hat angehalten. Ich bin davon ausgegangen, dass mir die Vorfahrt gewährt wird. Das Auto hat dann leider beschleunigt, genau in der Sekunde, dass es zur Kollision kommen musste. Schrecksekunde. Versuch auszuweichen. Ich denke ich bin doch noch irgendwie vorbeigekommen. Dann kracht es. Blackout.
Ich habe es immer schon geahnt: Autos sind doch stärker als Fahrräder. Bestätigung: Auto ein paar Kratzer, Fahrrad Totalschaden.
Einige Minuten nach dem Aufprall bin ich wieder zu Bewusstsein gekommen. Hurra ich lebe. Aha ich liege auf dem Bordstein. Da tropft Blut von irgendwo am Kopf in den Rinnstein. Nicht schlimm. Die paar Tropfen sind nicht sehr gefährlich. Was noch? Ohh, die Beine kann ich nicht mehr bewegen. Die Hände auch nicht. Irrsinns Schmerzen an verschiedenen Stellen im Körper. Liegen bleiben.
Mein erstes Dankeschön geht an den (unbekannten) Ersthelfer, der einfach nur da war und mich beruhigt hat. Ich bin nicht allein. Ein Moment in dem das enorm wichtig war. Danke auch an die Sanitäter, die mich sicher ins Krankenhaus nach Pforzheim gebracht haben. Und danke an den Notarzt, der so viel Ruhe ausgestrahlt hat und alles Nötige gemacht und veranlasst hat.
Zweiter Glücksmoment seit der Schrecksekunde. Ich kann die Beine wieder bewegen. Kurz vor der Ankunft im Krankenhaus. Die Schmerzen lassen nach. Die Drogen wirken. Die Ärzte sagen ich bin total unterkühlt. Klar ich lag im Winter eine halbe Stunde lang verschwitzt auf der Straße. Ab ins CT. Nein ich will kein Kontrastmittel. (der Kopf war trotz Erschütterung noch klar.) Alles in Ordnung. Keine Knochenbrüche gefunden.
Selbst das Schlüsselbein ist in Ordnung. Es ist eigentlich die Sollbruchstelle der Radfahrer. Erleichterung. Ich bin stabiler als gedacht. Am Abend fühle ich mich recht durchgeschüttelt. Der Unfallchirurg sagt sie behalten mich über Nacht da. Zur Beobachtung. Morgen kann ich nach Hause gehen. Er war dann auch die nächsten drei Wochen der Optimist. Ich denke: In einer Woche sitze ich wieder auf dem Rad, die schlimmsten Wunden sind dann einigermaßen abgeheilt.
Denkste. Irgendwas stimmt da nicht. Noch mal eine Nacht Beobachtung. Die Schmerzen in den Händen haben zunächst keine offensichtliche Ursache. Dann neurologische Untersuchung. MRT der HWS. Das Rückenmark sah gar nicht mehr gut aus. Zurück auf Station hallt es auf dem Flur: Herr Grieb nix essen, nix trinken, Notoperation. Ok, wenn sie meinen dann ist das so. Nur blöd: Ich hab so einen Hunger. Noch eine Minute mit meiner Frau auf dem Weg zum OP. Eigentlich wollte sie mich nach Hause begleiten. Zum Glück ist der Operationssaal nicht zu meinem zu Hause geworden aber es war eine lange OP. Auch hier Dank an alle im Krankenhaus die das Richtige mit mir gemacht haben.
Ja und dann wurde mein Kopf wieder auf den Schultern festgeschraubt. Zuerst mit acht Schrauben von Hinten, eine Woche später mit einer Platte von vorne. Ein Halswirbel war gebrochen. Eine Bandscheibe zerstört, so dass ich einen Ersatz bekam. Nun darf ich mich wahrscheinlich als Mr. Titan betiteln. (Kein Ironman mehr) Die Diagnose: Unvollständiger Querschnitt. Manchmal ist es doch besser, wenn etwas unvollständig ist.
Insgesamt drei Wochen Krankenhaus. Wieder lernen hinzusitzen. Lernen wie man sitzen bleibt. Lernen wie man aufsteht. Lernen, dass ein Rollator sinnvoll sein könnte. Wenn man sich auf einen Stuhl in der Nähe setzen will. Lernen wie man hinter einem Rollator her läuft. Und nach einigem üben mit dem Rollator (ich habe meine Hausaufgaben gemacht) selbständig (!!!!) aufs Klo gehen. Etwa zur selben Zeit lernen mir selbst Essen in den Mund zu schieben. Und irgendwann ist mir das sogar mit der Gabel gelungen. Mit dem Messer, das hat noch ein paar Wochen gedauert. Wusste gar nicht, dass ein Krankenhaus eine Schule ist. Das Beste war der Tag der Entlassung: Meine Lieblingsschwester hat mich früh angefaucht ich solle aufstehen und mich waschen (tzzz). Heute werde ich abgeholt und nach Wildbad in die Reha gefahren. Diese Dame wird mich nicht mehr anfassen. Ich habe es tatsächlich irgendwie geschafft mich selbst vollständig anzuziehen und die Schuhe zu binden. STOLZ.
Sechs Wochen Reha. Es ging alles so langsam. Gehen ohne Rollator. Treppen steigen. Mit Geländer. Ohne Geländer. Draußen gehen auf Teerwegen. Auf Schotterwegen. Essen mit Messer und Gabel. Arm bewegen lassen. Arm selber bewegen. Beine anheben. Rücken bewegen. Schmerzen aushalten. Ängste überwinden. Und viele, viele Übungen. Prozesse die bis heute anhalten.
Heute habe ich bei allen Bewegungen Schmerzen oder Missempfindungen. An jedem Körperteil. An Jedem? Nein das Kauen geht normal. Zum Glück. So kann ich meinen Hunger stillen. Das Gute: Ich kann alle Körperteile bewegen. Bei allen Einschränkungen kann ich den Alltag selbständig bewältigen. Und ich bin dankbar, dass es nicht schlimmer ist.
Mein Dank geht an alle die mich auf dem Weg seit dem Unfall begleitet haben. Besonders aber an meine liebe Frau. Ortrud war immer für mich da und hat sich um alles gekümmert. An Almut und Johannes die mich immer unterstützen und an Emily, die so viel Freude in mein Leben bringt.